Die Ziellinie ist gezogen: Bis zum Jahr 2030 soll der Anteil erneuerbarer Energien (EE) am ruttostromverbrauch auf 80 Prozent und mehr steigen, um erstens das Klima zu schützen und zweitens unabhängig von importierter fossiler Energie zu werden. Für das Jahr 2022 meldeten das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden Württemberg (ZSW) und der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) Mitte Dezember einen vorläufig berechneten Anteil der EE am Bruttostromverbrauch von 47 Prozent. Zwar sind das 5 Prozent mehr als im Vorjahr – aber bis zur 2030er-Ziellinie ist es dennoch ein sehr weiter Weg. Solarparks, auch Photovoltaik-Kraftwerke genannt, könnten uns dabei ordentlich voranbringen – wenn sie denn rasch genehmigt, gebaut und in Betrieb genommen würden. Doch genau da klemmt’s beim Ausbau der Solarparks.
Die Zeitschrift Wirtschaftswoche (WiWo) trackt mit einer extra Beitragsreihe „Themenschwerpunkt: Tracking der Energiewende“ (auch Habeck-Uhr genannt) Woche für Woche den Fortschritt der deutschen Energiewende, seit der Vizekanzler und Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, Dr. Robert Habeck, Anfang des Jahres mit dem Plan angetreten ist, dass Deutschland bis zum Jahr 2030 mindestens 80 Prozent seines Stroms aus Erneuerbaren erzeugt. Im Beitrag vom 6. Dezember 2022 geht es um Solarparks, genauer: große Solarparks. Denn die, so schreibt die WiWo, bräuchte Deutschland für eine zuverlässige grüne Energieversorgung.
Warum Deutschland mehr Solarparks braucht
Die WiWo schreibt in ihrem Beitrag, dass die Zahl der eher kleineren Photovoltaik-Anlagen auf Dächern, sogenannte Dachanlagen, landauf landab innerhalb der vergangenen Jahre stark gewachsen sei. Doch zugleich weist die Zeitschrift daraufhin, dass die wachsende Zahl auch eine Illusion nähre: Die Illusion nämlich, dass PV-Dachanlagen allein ausreichen würden, um die deutsche Energieversorgung von morgen zu gewährleisten.
Auch wenn jede Kilowattstunde erneuerbarer Strom den Verbrauch fossil erzeugten Stroms senke, sei der Beitrag eines einzelnen Solardachs daran, den gesamten Gas- und Kohlebedarf Deutschlands zu senken, doch eher gering. Die WiWo schreibt sogar, dass der einzelne Beitrag „kaum Nutzen für die Energieversorgung des Landes bringe“.
Diese Einschätzung begründet das Wirtschaftsblatt damit, dass von dem Solardach vor allem derjenige profitiere, der darunter wohne und Strom verbrauche. Die Anlagenbesitzer würden den Strom vom Solardach nämlich nur dann ins öffentliche Stromnetz einspeisen, wenn im Haus kein Bedarf (mehr) daran bestünde. Und das treffe vor allem auf sehr warme und sonnige Tage zu, wenn die Solarmodule viel Energie erzeugen würden und der Strombedarf gering sei – oder anders ausgedrückt: Zur Einspeisung komme es vor allem dann, wenn auch kein anderer den im Haushalt überschüssigen Strom brauche.
Das Fazit der WiWo lautet deshalb auch, dass die Ausbaurekorde bei Dachanlagen zwar schön, aber für den Beitrag der Solarkraft zum Gelingen der Energiewende eher unbedeutend seien. Für die Energiewende brauche Deutschland vielmehr etwas ganz Großes: Echte Solarparks, die mehrere Hektar (ha) Land besetzen würden. Denn deren Betreiber würden ihren Strom – im Unterschied zu den privaten Solardachbetreibern – voll einspeisen, ganz gleich, welches Wetter herrsche oder ob gerade ein Haushaltsgerät, beispielsweise die Waschmaschine, Strom benötige.
Die WiWo weist zudem darauf hin, dass Solarparks einen höheren Solarertrag pro Modul hätten als Dachanlagen, da die Module der Freiflächenanlagen (FFA) unabhängig von der Ausrichtung eines Hausdachs oder der Bebauung in der Nachbarschaft
im optimalen Winkel,
im optimalen Abstand zueinander
und im optimalen Abstand zum Boden montiert werden könnten.
Mit der Ansicht, dass Deutschland mehr große Solarparks brauche, ist die WiWo nicht allein: Auch das PV Magazine schreibt genau das und benennt zugleich zwei Hemmnisse für den Ausbau großer Solarparks im Land:
Knappheit verfügbarer Flächen
mitunter Jahre dauernde Bearbeitungszeit der Genehmigungen
Solarparks in Deutschland – eine aktuelle Bestandsaufnahme
Die Wirtschaftswoche liefert in ihrem oben verlinkten Bericht eine aktuelle Bestandsaufnahme zu Solarparks in Deutschland. Die finde man demnach bislang Großteils in zwei Bundesländern: im Freistaat Bayern und in Brandenburg.
Laut der WiWo würden von den gut 58.000 Megawatt (MW) Solarstrom, die hierzulande aktuell installiert seien, gut ein Viertel von Anlagen mit einer Leistung stammen, die über einem MW liege. Das würden demnach
neben sehr großen Hallendächern voll Solarmodulen
vor allem Solarparks sein, die auf früher landwirtschaftlich genutzten Feldern oder auf Brachland stünden.
Ein genauerer Blick auf Deutschland offenbare, dass vor allem zwei Bundesländer einen großen Teil der industriellen Solarstromerzeugung im Land sichern würden:
So käme mit einer Solarstrommenge von 4.660 MW aus Bayern und 3.300 MW aus Brandenburg fast die Hälfte der insgesamt 16.500 MW Photovoltaik-Leistung allein aus diesen beiden Ländern. Erst mit großem Abstand folgten demnach Mecklenburg-Vorpommern (1.800 MW) und Sachsen-Anhalt (1.700 MW). Weit dahinter kämen dann die Flächenländer Niedersachsen (610 MW) und Nordrhein- Westfalen (360 MW). Alle vier genannten Bundesländer zusammen erzeugen damit noch nicht einmal den Anteil Bayerns.
Nach einer Analyse der bei der Bundesnetzagentur registrierten Planungen bezifferte die WiWo im Oktober 2022 die Zahl der Solarparks, die kurzfristig bundesweit in Betrieb genommen werden könnten, auf 175 – rund 50 bis Ende 2022, weitere knapp 90 im kommenden Jahr 2023. Die Zeitung bietet Ihnen eine interaktive Karte, von der Sie bis auf wenige Meter exakt ablesen können, an welchen Standorten genau diese Solarparks geplant seien.
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Laut Plan würden auch in den kommenden Jahren die leistungsstärksten Solarparks in Bayern stehen. Werde gebaut wie geplant, sei insgesamt mit einem Leistungsplus von knapp 550 MW zu rechnen. Im Leistungsranking der Bundesländer hinter Platz 1 werde sich laut WiWo jedoch etwas tun: So stünden in Brandenburg lediglich knapp 95 MW Zubau auf dem Plan, während Niedersachsen 109 MW und Rheinland-Pfalz 103 MW an Leistungszuwachs bei Solarparks planen würden.
Niedersachsen hatte im August 2021 eine neue Verordnung für Solarparks beschlossen, die dafür sorgen soll, dass Solarparks im Land künftig bessere Chancen bei den Ausschreibungen der Bundesnetzagentur für Solarparks auf Freiflächen bekämen.
Auffällig sei demnach zudem, dass Bundesländer mit reichlich Sonne wie Baden-Württemberg und Sachsen mit nur 40 MW beziehungsweise 45 MW Zubau kaum neue Solarparks planen würden. Nordrhein-Westfalen plane als viertgrößtes Bundesland sogar nur 15 MW zusätzliche industrielle Solarstromerzeugung.
Insgesamt ergebe sich angesichts der aktuellen Planungen für die kommenden 13 Monate ein Plus bei der industriellen Solarstromerzeugung von rund 1200 MW. Das entspreche der WiWo zufolge 7 Prozent der derzeit installierten Leistung. Die deutschen Klimaziele brauchen raschere und größere Schritte – noch ist das nicht das von der Bundesregierung eingeforderte Ausbautempo „dreimal schneller als bisher“. Ein Blick auf die Grafiken aka Ziffernblätter der eingangs verlinkten Habeck-Uhr zeigt Ihnen deutlich die wöchentlichen Rückstände des tatsächlichen Zubaus im Vergleich zum wöchentlich notwendigen Zubau zur Erreichung des angepeilten Jahreszubaus an (2022: 10,5 Gigawatt (GW, 2023: 14,5 GW, 2024: 19,5 GW).
Stellt sich die Frage, ob sich angesichts
der genannten Hemmnisse für neue Solarparks
und des konstatierten Zubautempos „mit angezogener Bremse“
nicht auch noch mehr Strom aus bereits laufenden Solarparks rausholen lässt.
Mehr Ertrag bei gleicher Fläche: Lässt sich aus bereits laufenden Solarparks noch mehr Strom rausholen?
In einem neuen Forschungsprojekt „Solarpark 2.0“ gehen Wissenschaftler und Wirtschaft unter Führung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) gemeinsam den Fragen nach,
wie man Verluste bei bestehenden Solarparks reduzieren
sowie deren Erträge und Laufzeiten erhöhen könnte.
Nina Munzke vom Elektrotechnischen Institut (ETI) des KIT, die das Forschungsprojekt „Solarpark 2.0“ am Batterietechnikum des KIT initiierte, sagte gegenüber der Presse, dass es generell schwerer und insbesondere in dicht besiedelten Regionen weltweit zunehmend problematisch werde, neue und immer größere Flächen für neue Solarparks zu finden. Zum Erreichen der Klimaziele müsse Deutschland deshalb vorhandene Flächen viel effizienter nutzen. Dafür entwickle das Projekt elektronische Komponenten und Methoden für große Solarparks. Man wolle deren Leistungsabgabe unter ungünstigen Bedingungen wie Verschattung, Verschmutzung oder Alterung erhöhen und so die Wirtschaftlichkeit und den Ertrag der Stromerzeugung mit Photovoltaik optimieren, erklärte Nina Munzke zudem.
Bei den Photovoltaik-Komponenten setze das Forschungsprojekt an den Solarmodulen an. Damit ein Modul maximal effizient sei, müsse es Munzke zufolge nahe an seinem spezifischen Maximum Power Point (MPP) arbeiten. Die Ausgangsleistung eines Solarmoduls ergebe sich jeweils aus dem Produkt von Stromstärke und Spannungshöhe. Am MPP sei diese Leistung am höchsten, dort werde demnach der höchstmögliche Ertrag erzielt, erklärte Lukas Stefanski vom ETI in der zugehörigen Pressemeldung.
Wobei der MPP mit der Temperatur, dem Stand der Sonne und anderen Faktoren variiere, so dass ein stetes Nachregeln der Spannung erfolgen müsse, damit die Anlage im optimalen Betriebsmodus laufe. Dafür ausgelegte Leistungsoptimierer würden in konventionellen Schaltungen insbesondere im zentralen Wechselrichter sitzen. Schalte man jedoch mehrere Solarmodule in Reihe zu Strings und zudem mehrere solcher Strings parallel, würden Verschattung, Schmutz, Alterung (technischer Verschleiß) und Defekte an einzelnen Modulen schlimmstenfalls die Leistung ganzer Solarparks schmälern, erklärte Lukas Stefanski weiter. Von Vorteil wäre es ihm zufolge, wenn man einzelne Module regeln könnte, um in Abhängigkeit davon, wie die Anlage verschaltet sei, die Spannung an den Strings zu optimieren.
Dafür setze das KIT in dem Projekt „Solarpark 2.0“ auf seine patentierte HiLEM-Schaltung, ist in der Pressemitteilung weiter zu lesen. HiLEM stehe für den englischsprachigen Ausdruck „High Efficiency Low Effort MPPT“. Diese Schaltung ersetze demnach sogenannte Combiner-Boxen, mit deren Hilfe man üblicherweise Strings parallelschalte. Sie ermögliche laut KIT ein effizientes MPPT auf der Ebene der Strings.
Eine Kombination aus
einerseits der selbst entwickelten Schaltung
und neuartigen Leistungsoptimierern, die die Hochschule Karlsruhe und die Unternehmen BRC-Solar und Prema Semiconductor gemeinsam entwickelt würden,
ermögliche ein gleichzeitiges MPPT – und zwar auf der Stringebene ebenso wie auf der Modulebene. Lukas Stefanski erklärt dazu, dass der Solarpark damit nicht nur einen höheren Ertrag erziele, sondern sich auch seine Lebensdauer (Betriebszeit) und die aus dem Betrieb resultierenden Betriebskosten senken ließen.
Die neuen Komponenten sollen laut KIT in zwei PV-Testanlagen auf dem Campus evaluiert werden. Sie hätten demnach jeweils eine Leistung von 30 Kilowatt (kW). In der einen Anlage würden dabei unterschiedliche Testszenarien abgebildet, während die zweite Anlage als Referenz diene. Beide
Anlagen sollen nebeneinander auf einer Freifläche innerhalb des bestehenden Photovoltaik- Kraftwerks des Energy Lab 2.0 am KIT realisiert werden.
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Des Weiteren fokussiere sich das Verbundprojekt „Solarpark 2.0“ auf den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI), um Leistungsprognosen für Solarparks zu erstellen. Damit ließen sich, so die Hoffnung der Forschenden, mit Betriebsdaten möglicherweise verschattete, defekte oder verschmutzte Module identifizieren. Wir könnten ermitteln, an welcher Stelle in Solarparks sich eine Nachrüstung mit Leistungsoptimierern lohnen würde, erklärt Marcus Becker vom ETI gegenüber der Presse. Die KI werde dabei mit langfristigen Daten aus dem Solarpark des KIT „gefüttert“ und trainiert. Hinzu kämen Daten, die mit dem selbstentwickelten drahtlosen Monitoring System (WSN) des Instituts für Photovoltaik (ipv) der Universität Stuttgart erhoben würden.
Offiziell startete das Projekt „Solarpark 2.0“ im Juli dieses Jahres. Es soll planmäßig drei Jahre lang laufen. Rund 2,5 Millionen Euro Förderung gebe es dafür vom Bundeswirtschaftsministerium. Das Projektvolumen insgesamt beziffert das KIT mit etwa 3,4 Millionen Euro. Neben dem KIT, der Hochschule Karlsruhe, der Universität Stuttgart und den erwähnten Unternehmen BRC-Solar und Prema Semiconductor sei laut KIT auch das Photovoltaik-Unternehmen Solarwatt an dem Projekt beteiligt. Es unterstütze bei der Integration der Leistungsoptimierer direkt in das Solarmodul.
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